Silhouetten von zwei Köpfen

Produktivität

Warum es gut ist, sich zu unterhalten

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Das Remote Working ist eindeutig auf dem Vormarsch. Wie können wir also sicherstellen, dass wir über die gute, altmodische Art der Unterhaltung effektiv mit anderen kommunizieren? Alison Coleman zeigt uns wie.

 

Digitale Technologie hat die Art, wie wir kommunizieren, auf Kosten der persönlichen Kommunikation von Angesicht zu Angesicht verändert. In Ihrem Buch „The Village Effect" sagt die Psychologin Susan Pinker: „In einem kurzen evolutionären Zeitraum haben wir uns von in Gruppen lebenden Primaten, die jede Geste und Absicht des Gegenübers ablesen können, hin zu Einzelgängern entwickelt, die nur noch mit ihrem eigenen Bildschirm beschäftigt sind.

Nirgendwo wird dies deutlicher als an einem modernen Arbeitsplatz, an dem Angestellte – besonders die wachsende Zahl derjenigen, die ortsungebunden und mobil arbeiten – zunehmend auf E-Mail-, SMS- und Instant Messaging-Dienste angewiesen sind, um mit ihren Kollegen zu interagieren. Eine Studie von Cancer Research UK(1) hat gezeigt, dass die Millenium-Generation (die bis 2030 75 Prozent der Arbeitskräfte ausmachen wird(2)) sich vor persönlichen Unterhaltungen scheut und das Online-Chatting bevorzugt. Dies ist ein Trend, der sich voraussichtlich weiter fortsetzen wird.

Gesicht zeigen

Während die bloße Geschwindigkeit digitaler Verbindungen den zeitaufwendigen Prozess der physischen Interaktion zu übertreffen scheint, sollte die Wichtigkeit von persönlichen Unterhaltungen am Arbeitsplatz nicht unterschätzt werden. Forschungen zeigen, dass sich das Ausbleiben regelmäßiger Unterhaltung mit Menschen – sei es mit Kollegen oder anderen in der Umgebung befindlichen Personen – negative Auswirkungen hat, und zwar nicht nur auf unsere Gesundheit und Zufriedenheit, sondern auch auf unser Produktivität.

Die Erhaltung unserer Lebensqualität infolge von Unterhaltungen mit anderen von Angesicht zu Angesicht kann durch Unterhaltungen über das Internet nicht gleichermaßen erzielt werden(3). Eine Studie der Oregon Health & Science University(4) klingt noch besorgniserregender. Laut dieser kann fehlender sozialer Kontakt, der von Angesicht zu Angesicht stattfindet, das Risiko, an einer Depression zu erkranken, nahezu verdoppeln.

Weiterhin hat eine von Hewlett Packard durchgeführte Studie(5) gezeigt, dass Momente, in den Unterhaltungen zwischen Arbeitskollegen stattfinden, die persönliche Leistungsfähigkeit um 20 Prozent steigern können. Eine weitere Studie hat aufgedeckt, dass 72 Prozent der Arbeitnehmer, die einen guten Freund am Arbeitsplatz haben, zufriedener mit Ihrem Job sind.

Nutzen Sie Ihre Stimme

So wie Essen und Trinken sollten auch soziale Beziehungen als grundlegendes menschliches Bedürfnis angesehen werden. Wird dieses Bedürfnis nicht erfüllt, kann dies negative Auswirkungen auf Stimmung, Geisteshaltung und Leistung haben. Wer passt also auf Sie auf, wenn Sie aus der Ferne arbeiten?

„Frühe Warnsignale dafür, dass das Remote Working sich negativ auswirkt, sind beispielsweise, wenn soziale Aktivitäten versäumt werden, das heißt, wenn man zum Beispiel vergisst, einem Kollegen Glückwünsche zum Geburtstag zu überbringen oder Ausreden findet, weshalb man nicht zu einem persönlichen Treffen erscheinen kann," sagt Verhaltensexperte Richard Daniel Curtis. „So könnte es möglicherweise dazu kommen, dass Ihr Vorgesetzter nicht weiß, wie weit Sie bereits bei einem bestimmten Projekt fortgeschritten sind oder er verliert die Übersicht über Ihren Arbeitsablauf."

Unternehmen müssen die Vorteile von persönlicher Kommunikation erkennen und die Konversation zwischen Kollegen verstärkt fördern. Wenn eine Vielzahl an Menschen heute jedoch aus der Ferne arbeitet, wie können Unterhaltungen – von denen Körpersprache und Mimik, die verschiedene Gedanken und Gefühle ausdrücken, ein wichtiger Bestandteil sind – ermöglicht werden?

Hier hat das altbewährte Telefon seine Vorteile gegenüber digitalen Kommunikationskanälen, da bei der Unterhaltung am Telefon Unterschiede in der Intonation zum Ausdruck kommen. Der Tonfall verleiht Wörtern Dimension und Gefühl und gibt einen Hinweis darauf, wie sich jemand in der Unterhaltung fühlt. SMS und E-Mails sind nur geschriebene Worte, die Spielraum für Interpretation lassen, ohne den Vorteil des Tonfalls oder der Körpersprache mit sich zu bringen.

Bei visuellen Kommunikationskanälen wie beispielsweise Skype und Google Hangouts kommt Körpersprache bei der Unterhaltung stärker zum Einsatz, wodurch diese Form der Kommunikation einer persönlichen Unterhaltung am nächsten kommt.

Zwei Tassen Tee mit Sprechblasen darüber

Experten sagen, dass Momente der Unterhaltung zwischen Kollegen deren Leistungsfähigkeit um 20 Prozent steigern können.

 

Starten Sie eine Videokonferenz

Das Gesicht von jemandem zu sehen, kann tatsächlich einen Unterschied machen zwischen einer erfolgreichen Unterhaltung und einer, die nicht ganz so verläuft, wie sie sollte. Forschungen von Mahdi Roghanizad und Vanessa K. Bohns(6), haben gezeigt, dass eine persönliche Anfrage 34 Mal erfolgreicher war als eine Anfrage per E-Mail. Die gute Nachricht ist, dass eine Unterhaltung „von Angesicht zu Angesicht" heutzutage einfach über Skype oder ein anderes Videokonferenz-Tool durchgeführt werden kann. Im Gegensatz zu E-Mails oder selbst einem Telefongespräch, wird einem im Videogespräch ermöglicht, die Körpersprache des anderen zu sehen – was wertvolle visuelle Hinweise in Bezug darauf liefert, was dabei helfen könnte, die Unterhaltung in einen Zusammenhang zu setzen.

Laut Stuart Duff, Leiter des Bereichs Leadership Development des wirtschaftspsychologischen Beratungsunternehmens Pearn Kandola, geben Führungskräfte den Ton an, wenn es um die Nutzung von Videokonferenz-Tools geht. Von Pearn Kandola ausgeführte Forschungen ergaben, dass Führungskräfte, die laufend Erfolg zu haben schienen, Videokonferenz-Tools nutzten, um mit Ihren Teammitgliedern zu sprechen, und "echte Interaktionen" in Meetings einbauten.

„Dies ermögliche ihren Teams, auf den neuesten Stand zu kommen und die Gesellschaft der Teamkollegen zu genießen, bevor man zum eigentlichen Geschäft komme," sagt Duff. „Die weniger erfolgreichen Führungskräfte verließen sich zu sehr auf E-Mails oder Telefonkonferenzen, da sie glaubten, dass die reguläre Nutzung von Videokonferenz-Tools zu kompliziert sei. Die Herausforderung liegt in der Einstellung und Geisteshaltung der Führungskräfte."

Smalltalk führen

Die Art von Unterhaltung, die Menschen führen, ist ebenfalls von Bedeutung. Während Arbeitgeber in der Vergangenheit häufig die Stirn runzelten, wenn es um Smalltalk im Büro ging, glaubt Organisationspsychologe Professor Sir Cary Cooper, dass dieser für Teambuilding und Teamleistung fundamental ist.

„Wir alle müssen unsere sozialen Bedürfnisse befriedigen", sagt er. „Smalltalk kann sich um ein Fußballspiel, einen Film, den man gesehen hat, unsere Kinder, Probleme zu Hause, um alles Mögliche, drehen. Bei Smalltalk geht es darum, Beziehungen aufzubauen. Je mehr wir Smalltalk mit unseren Kollegen führen, desto besser kennen wir diese, desto eher halten wir zusammen und desto produktiver werden wir sein."

Dies belegen Studien, die zeigen, dass, wenn Menschen nicht die Möglichkeit hatten, lockere Gespräche mit Kollegen zu führen, diese weniger produktiv und dementsprechend auch seltener in der Lage waren, einen guten Job zu leisten(7).

Kulturelle Barrieren durchbrechen

Ein weiterer Faktor bezüglich des Rückgangs dieser Form der Interaktion könnte sich aus der Tatsache ergeben, dass so viele Arbeitskräfte aus unterschiedlichen Kulturen stammen. Somit wird die Kommunikation per E-Mail zwischen Kollegen mit unterschiedlichem kulturellen Hintergrund zur Alternative zu potenziell peinlichen Unterhaltungen von Angesicht zu Angesicht. E-Mails und deren Inhalte werden bekanntermaßen jedoch häufig falsch interpretiert.

Es passiert erschreckend häufig, dass man den Ton oder die Dringlichkeit in Nachrichten falsch einschätzt. Selbst der formale Akt der Begrüßung, sei es durch ein einfaches „Hallo", „Hey" oder überhaupt keine Begrüßung, um jemanden anzusprechen, kann je nach Empfänger unterschiedlich interpretiert werden. Fügen Sie dann noch potenzielle Sprachbarrieren oder kulturelle Unterschiede hinzu und die Botschaft wird noch weniger eindeutig sein.

„Einige Kulturen haben grundverschiedene Arten, um Kontakt aufzunehmen oder Vertrauen aufzubauen. Daher ist es wichtig, Zeit zu investieren, um zu versuchen, diese Tatsache nachzuvollziehen," sagt Paul Smith, Arbeitspsychologe und Gründer von WiseAmigo. „Ohne es zu merken, versuchen wir so viele Informationen, wie wir können, zu sammeln, um unsere Herangehensweise an die Kommunikation mit anderen und die Beeinflussung dieser anzupassen. Wir können unsere Kommunikationsfähigkeiten ausbauen und besser darin werden, mit anderen zu interagieren und Beziehungen aufzubauen, indem wir häufig mit anderen kommunizieren."

 


Alison Coleman liefert regelmäßig Beiträge zum Britischen Guardian Small Business Network. Darüber hinaus schreibt sie für das Director magazine, der Ausgabe für Mitglieder des Institute of Directors im Vereinigten Königreich.

Quellen:

(1) https://www.independent.co.uk/news/health/millennials-social-media-cancer-research-uk-study-a8182211.html

(2) https://www.wired.com/insights/2013/08/the-rise-of-the-millennial-workforce/

(3) http://psycnet.apa.org/record/2003-99636-019

(4) https://www.psychologytoday.com/us/blog/the-athletes-way/201510/face-face-social-contact-reduces-risk-depression

(5) http://www.hpl.hp.com/techreports/94/HPL-94-23.pdf

(6) https://hbr.org/2017/04/a-face-to-face-request-is-34-times-more-successful-than-an-email

(7) https://blog.trello.com/surprising-cognitive-benefits-of-small-talk-at-work