Ein bunter Stimmabdruck

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Wie verändern Sprachassistenten den modernen Arbeitsplatz?

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Sind Sprachassistenten für die Arbeit in einer Büroumgebung intelligent genug? Noch nicht ganz, sagt Sam Shead. Aber es kann nicht mehr lange dauern…

 

„Alexa, schick’ John von der Personalabteilung eine E-Mail und frag’ ihn, ob er nächsten Dienstag Zeit hat, mit mir über meine Beförderung zu sprechen.“

„Siri, kannst du mir diese Seite bitte ausdrucken?“

„Cortana, öffne eine neue Excel und ermittle die Standardabweichung meiner letzten Verkaufszahlen.“

„Hey Google, bestelle 20 große Einhorn-T-Shirts bei unserer T-Shirt-Maschine.“

Dies sind nur einige Beispiele für Anfragen, die schon in naher Zukunft an Sprachassistenten mit künstlicher Intelligenz (KI) gestellt werden. Diese haben in den letzten Jahren dank Durchbrüchen in den Bereichen Maschinelles Lernen und Spracherkennung große Fortschritte gemacht, die auch durch die Verbreitung des Cloud Computing begünstigt wurden.

Beim Gedanken daran, sich künftig bei der Arbeit wie selbstverständlich mit Sprachassistenten zu reden, läuft einigen möglicherweise ein kalter Schauer über den Rücken. Studien weisen jedoch darauf hin, dass diese Geräte schon in den nächsten zwölf Monaten ebenso selbstverständlich zur Büroausstattung gehören könnten wie eine Kaffeekanne oder ein Tacker.

Im April 2018 ergab eine Umfrage von Spiceworks(1), einem sozialen Netzwerk für IT-Fachkräfte, dass 40 Prozent aller Großunternehmen (mindestens 500 Mitarbeiter) in irgendeiner Form mit der Einführung von KI-Sprachassistenten bis 2019 rechnen. Die Studie, in der über 500 IT-Techniker in Unternehmen aus Nordamerika und Europa befragt wurden, fand außerdem heraus, dass 29 Prozent einen oder mehrere Sprachassistenten bereits für arbeitsbezogene Aufgaben einsetzen bzw. deren Einführung innerhalb der nächsten 12 Monate planen.

Die US-amerikanischen Technologieriesen Google, Microsoft, Apple und Amazon haben die fortschrittlichsten Sprachassistenten entwickelt, die derzeit auf dem Markt erhältlich sind: Google Assistant, Cortana, Siri und Alexa. Die „Großen Fünf“ – wenn man Facebook dazu zählt – investieren Milliardensummen in die Weiterentwicklung von KI und liefern sich dabei ein Rennen um die hellsten Köpfe auf diesem Gebiet. Auch Unternehmen wie Cisco und IBM versuchen mit allen Mitteln, mit der Entwicklung Schritt zu halten.

Automatisierung stupider Aufgaben

Alexa von Amazon war nach der Einführung der Echo-Geräte der erste Sprachassistent, der beim Endverbraucher wirklich Anklang fand. Das Unternehmen aus Seattle möchte jedoch nicht nur Verbraucher als Kunden gewinnen. Letzten November wurde Alexa for Business vorgestellt, die als perfekte Lösung zur Automatisierung stupider Aufgaben in stressigen Bürojobs gepriesen wird.

Im März lobte Amazon CTO Werner Vogels in einem Blog(2) Sprachassistenten als Revolution für den Arbeitsplatz. „Genau wie Alexa Smart Homes einfacher macht, ist dies auch am Arbeitsplatz möglich“, schrieb Vogels in seinem Blog All Things Distributed. Darin zählte er einige Aufgaben auf, die Alexa übernehmen kann und schrieb: „Alexa kann die Klimaanlage steuern, Reiserouten finden, Zimmer buchen, ein Problem melden oder ein Transportmittel finden.“

Mittlerweile nutzen zahlreiche Unternehmen Alexa for Business, darunter der US-amerikanische Herrenausstatter Brooks Brothers, die Bank Capital One und der Unternehmenssoftwareentwickler BMC.

Capital One hat Alexa unternehmensspezifische Skills beigebracht. Dabei handelt es sich um eine bestimmte Aktion, die durch einen Sprachbefehl ausgelöst wird. Mit diesen Fähigkeiten kann Alexa die Leistung der Cloud-Computing-Infrastruktur von Amazon Web Services überwachen. Surya Avirneni, leitender Softwaretechniker bei Capital One, erinnert sich: „Wir hatten bereits einen Skill erstellt, mit dem unsere Teams im Handumdrehen den Status unserer Systeme prüfen oder spezielle Benachrichtigungen zu wichtigen Ereignissen anfordern konnten. Uns fehlte jedoch die Möglichkeit, unseren Teams diese Funktion zur Verfügung zu stellen, ohne sie im Alexa Skills Store zu veröffentlichen. Mit Alexa for Business können wir Skills nur für den internen Gebrauch veröffentlichen.“

Eine Reihe von Technologieunternehmen (darunter Salesforce, SAP SuccessFactors und ServiceNow) integrieren ihre eigenen Anwendungen mit Alexa for Business, wodurch die Plattform für Büroaufgaben noch nützlicher wird.

Der schärfste Konkurrent von Amazon auf dem Gebiet der Sprachassistenten für den Arbeitsplatz ist Cortana von Microsoft. Dieses Gerät bietet den Nutzern anderer Microsoft-Produkte (z. B. Office 365, Skype, LinkedIn, Bing und Outlook) einige Vorteile. In einem Artikel in der Zeitschrift Computerworld(3) erklärt Patrick Moorhead, Präsident und Chefanalyst von Moor Insights & Strategy: „Der größte Vorteil von Cortana ist die Integration mit den eindeutig marktführenden Programmen Windows und Office.“

Von allen Unternehmen, die bereits Sprachassistenten am Arbeitsplatz eingeführt haben, nutzen 49 Prozent Cortana und nur 13 Prozent Alexa(4).

Auswahl an Sprachassistenten

Von links nach rechts: Amazon Echo, Google Now, Sonos Play, Apple Siri

 

Werden Sprachassistenten bald zur vollwertigen Arbeitskraft?

Es ist nur eine Frage der Zeit, bis KI-Sprachassistenten auf praktisch alle Geräte im Büro zugreifen und sie steuern können, da Computerchips in immer mehr Geräte eingebaut werden. CIOs und CTOs sollten sich jedoch nicht zu früh freuen.

Da die Technologieriesen ihre Sprachassistenten in Werbungen und Marketingkampagnen bereits als beinahe menschliche Wesen darstellen, könnte man fast meinen, dass diese Geräte einen tollen Gesprächspartner abgeben. Die Wahrheit ist jedoch, dass wir es in vielerlei Hinsicht mit recht dummen Maschinen zu tun haben.

„Leider ist die Sprachtechnologie im Gegensatz zu Textassistenten für eine unternehmensweite Einführung noch nicht ausgereift. Innovative Techniken – z. B. Gesichtserkennung zur Zuordnung der Lippenbewegungen des Sprechers zur Stimme – stecken noch in den Kinderschuhen“, erläutert Rob McCargow, Leiter für KI bei PwC UK. „Bis zur Verbreitung von KI-Sprachassistenten am Arbeitsplatz sind noch einige Hindernisse zu überwinden. Sprachbefehle werden immer genauer erkannt, aber wenn die Technologie flächendeckend in regulierten Branchen wie dem Gesundheitswesen oder Finanzdienstleistungen zum Einsatz kommen soll, muss die Genauigkeit noch weiter verbessert werden.“

Könnte KI missbraucht werden?

Im Moment ist die Verarbeitung von Hintergrundgeräuschen eine der größten technischen Hürden für KI-Sprachassistenten. Doch selbst bei diesem sogenannten Cocktailparty-Effekt gibt es Fortschritte zu verzeichnen. Alexa und Co verfügen noch nicht über eine biometrische Stimmerkennung und können daher nicht zuordnen, welche der anwesenden Personen gerade mit ihnen spricht.

Laut McCargow bestehen außerdem noch Zweifel darüber, wie vertrauenswürdig und erklärbar KI tatsächlich ist und wie sie mit vertraulichen Daten umgeht. „Solange Unternehmen nicht vollends darauf vertrauen können, dass diese Probleme bei der Entwicklung von KI-Sprachassistenten zufriedenstellend gelöst wurden, werden wir die Vorteile der Technologie auf Jahre hinaus nicht nutzen können“, prognostiziert er.

Samim Winiger, Chief Creative Officer bei AE – einem Unternehmen, das sich mit kreativem maschinellen Lernen beschäftigt – äußert sich besorgt darüber, dass Unternehmen die Spracherkennungstechnologie von Sprachassistenten zur Überwachung ihrer Mitarbeiter missbrauchen:

„KI-Sprachassistenten am Arbeitsplatz sind nur eine Nebenerscheinung des viel größeren Trends der Überwachung und Optimierung des Arbeitsplatzes mit KI. In diesem Szenario spielt die Spracherkennung eine entscheidende Rolle: Ununterbrochen eingeschaltete Mikrofone an jedem Arbeitsplatz sind mit Gefühlserkennung und Spracherkennungssystemen verbunden. Diese Daten werden in Echtzeit in ein System eingespeist, das das Leistungsvermögen der Mitarbeiter bestimmt. Diese Ergebnisse werden dann auf unterschiedliche Art und Weise genutzt, um die Gesamtleistung des Unternehmens zu verbessern.“

Er fügt hinzu: „Abgesehen vom Problem der Überwachung kann die Spracherkennung sehr nützlich für bestimmte Anwendungen sein, z. B. für leichtes Brainstorming oder für die schnelle Aufnahme von Notizen. Derzeit wird diese Technologie noch stark überschätzt. In den meisten Fällen sind Maus, Tastatur und Bildschirm als Eingabewerkzeuge noch deutlich schneller und ermöglichen Multitasking und räumliche Darstellungen. Dies ist mit Spracherkennungssoftware nicht möglich.“

Stetige Verbesserung

Spiceworks fand heraus, dass 46 Prozent der Anwenderunternehmen Sprachassistenten als Diktiergerät, 26 Prozent sie zur Teamarbeit und 24 Prozent sie für die Terminverwaltung einsetzen. 14 Prozent nutzen intelligente Assistenten zur Kundenbetreuung und 13 Prozent zur Unterstützung bei Aufgaben des IT-Supports.

Diese einfachen Tricks könnten jedoch enorme Auswirkungen auf die Unternehmen haben. „Mit dieser Art der verbesserten Aufgabenbewältigung könnte die Produktivität von Unternehmen deutlich gesteigert werden. Die Analyse von PwC lässt darauf schließen, dass der verbreitete Einsatz von KI bis zum Jahr 2030 für ein Weltwirtschaftswachstum von 15,7 Billionen US-Dollar sorgen könnte“, betont McCargow(5).

„Erst wenn diese Technologie flächendeckend eingesetzt wird, zeigt sich, welch gewaltige Veränderungen sie für die Arbeitskräfte nach sich zieht. Daher ist es von entscheidender Bedeutung, dass Führungskräfte sich schon jetzt darüber Gedanken machen, welche Anforderungen sie in der Zukunft an Bewerber stellen müssen und wie sie ihre Mitarbeiter auf den zukünftigen Wandel durch die Arbeitsautomatisierung vorbereiten können.“


 

Der preisgekrönte Journalist Sam Shead war Leitender Reporter für Technologie bei Business Insider UK. Zuvor arbeitete er als Redakteur für die Bereiche Start-ups und Innovation für die Techworld in London und für The Daily Mail.

Quellen:

(1) https://community.spiceworks.com/blog/2964-data-snapshot-ai-chatbots-and-intelligent-assistants-in-the-workplace?utm_campaign=item&utm_medium=rss&utm_source=blog

(2) https://www.allthingsdistributed.com/2018/03/unlocking-enterprise-systems-using-voice.html

(3) https://www.computerworld.com/article/3252218/collaboration/cortana-explained-why-microsofts-virtual-assistant-is-wired-for-business.html

(4) https://community.spiceworks.com/blog/2964-data-snapshot-ai-chatbots-and-intelligent-assistants-in-the-workplace?utm_campaign=item&utm_medium=rss&utm_source=blog

(5) https://www.pwc.com/gx/en/issues/data-and-analytics/publications/artificial-intelligence-study.html