Außenaufnahme der Regus-Niederlassung in der Third Avenue 600, New York

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Das Wichtigste über IFRS 16 in fünf Minuten

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Laut Alexander Garrett könnte die neue Rechnungslegungsvorschrift IFRS 16 langfristige Mieter von Büroräumen zur Suche nach flexibleren Lösungen zwingen

 

Was haben Schiffe, Flugzeuge, Ölbohrplattformen, Züge, Geschäfte und Hotel gemeinsam? Unternehmen haben diese wertvollen Vermögenswerte im Rahmen sogenannter operativen Leasing-Verträge erworben. Dies geschah im Zuge einer regelrechten Kauforgie, während der Unternehmen sich diese Vermögensgegenstände aneignen konnten, ohne dass diese in der Bilanz auftauchten. Mit der Einführung der neuen Rechnungslegungsvorschrift IFRS 16 im Januar des kommenden Jahres ist damit Schluss. Dann müssen Leasingverträge als Passiva in den Unternehmensbilanzen verbucht werden und dürfen nicht mehr unterschlagen werden.

Falls Sie sich jetzt fragen, was das alles mit Ihnen zu tun hat: Zur Liste der betroffenen Leasingobjekte gehören auch Büros. Falls Ihr Unternehmen (wie in den meisten Fällen) nicht der Eigentümer der Mehrheit seiner Büroräume ist, sondern diese in einem langfristigen Vertrag least, müssen diese ab dem kommenden Jahr als Passiva bilanziert werden. Für Unternehmen, deren Ausgaben in hohem Maße auf Immobilien entfallen, bedeutet dies eine erhebliche Veränderung der Bilanz. In manchen Fällen erhöht sich die Fremdkapitalquote durch diese Änderung dramatisch.

Kurz gesagt, sollten Sie Ihr Leasingportfolio dringend auf den Prüfstand stellen. Viele vertreten die Ansicht, dass die Vorschrift mit dem harmlosen Namen IFRS 16 zu einer Abkehr von langfristigen Leasingverträgen führen und die Tendenz hin zu kurzfristig gemieteten und flexiblen Bürobereichen verstärken wird, die nicht von der neuen Regelung abgedeckt werden.

Leasingverbindlichkeiten

Die Initiative für eine neue Buchhaltungsvorschrift für Leasingverträge stammt von Sir David Tweedie, der als Vorsitzender des internationalen Rechnungslegungsstandardsgremiums (International Accounting Standards Board, IASB) scherzhaft sagte: „Eines meiner größten Ziele vor meinem Tod ist, in einem Flugzeug zu fliegen, dass tatsächlich in den Büchern der Fluggesellschaft aufgeführt ist.“ Damit spielte er darauf an, dass nahezu alle Fluggesellschaften zu diesem Zeitpunkt ihre Flugzeuge leasten, um die Höhe der Verbindlichkeiten in der Bilanz zu verschleiern.

Die Einführung von IFRS 16 hatte sich schon lange angekündigt. Die wichtigste Neuerung ist, dass der Leasingnehmer bzw. Nutzer der Räumlichkeiten nicht länger zwischen operativem und Finanzierungsleasing unterscheiden darf, sondern beide als Leasingverbindlichkeiten buchen muss. Es gibt jedoch eine Ausnahme: Kurzfristige Leasingverträge mit einer Laufzeit von weniger als zwölf Monaten sind von dieser Vorschrift ausgenommen, sofern keine Kaufoption für das Leasingobjekt zum Ende der Laufzeit besteht. Das IASB schätzt, dass Börsenunternehmen zusammen fast 3 Billionen US-Dollar(1) an Leasingverbindlichkeiten in ihren Bilanzen unterschlagen.

Die Höhe der nun aufgedeckten Verbindlichkeiten schwankt von Branche zu Branche. Ein eindrucksvolles Diagramm von Aptitude Software(2) stellt die verborgenen Verbindlichkeiten für unterschiedliche Sektoren als „Leasberge“ dar und zeigt, dass das Volumen der geleasten Vermögensgegenstände im Einzelhandel und in der Logistik am größten sind.

Untersuchungen von PwC weisen unterdessen darauf hin, dass Dienstleistungsunternehmen, die hauptsächlich Büros und Autos mieten, sich mit der Einführung von IFRS 16 auf einen Anstieg ihrer Verbindlichkeiten um 42 Prozent einstellen müssen(3).

Langfristige Verluste

Warum ist dies so wichtig? „Wenn ein Unternehmen viele Mittel für Leasingverträge aufwendet, ändert sich durch die Buchung hoher Vermögenswerte und der entsprechenden Verbindlichkeiten die Verschuldungsquote und die Gesamtverschuldung fällt höher aus. Wenn Unternehmen Kreditverträge auf der Grundlage der Gesamtverschuldung schließen, könnte die Änderung der Rechnungslegungsvorschriften Vertragsverletzungen zur Folge haben“, erklärt Paul Fenner, Chef des Immobilien- und Buchhaltungsunternehmens Moore Stephens. Eine Umfrage unter Kreditgebern im Jahr 2015(4) ergab, dass 80 Prozent in Zukunft ihren Ansatz bei Kreditverträgen verändern möchten oder nach der Einführung von IFRS 16 die Verzinsung solcher Verträge anpassen wollen.

In solchen Fällen werden Investoren möglicherweise abgeschreckt, wenn das gesamte Ausmaß der Verbindlichkeiten eines Unternehmens offengelegt wird. Als der britische Buchladen Borders 2011 in Liquidation trat, wurde aufgedeckt, dass die langfristigen Leasingverbindlichkeiten des Unternehmens die in der Bilanz gebuchten Verbindlichkeiten um ein Vielfaches überstiegen.

Was bedeutet dies alles für den Büromarkt? Zumindest wird die Rechnungslegung für geleaste Büroräume deutlich komplizierter als in der Vergangenheit. Ein multinationales Unternehmen beispielsweise least Büros in der Regel auf nationaler Ebene, muss alle dazugehörigen Informationen jedoch in mehreren Sprachen und unterschiedlichen Währungen aufzeichnen, um sie in der internationalen Bilanz zu erfassen.

Flexible Lösungen

Die größere Veränderung infolge der Einführung von IFRS 16 wird aber wahrscheinlich auf dem Büromarkt zu beobachten sein. Es wird weithin mit einer steigenden Nachfrage nach kurzfristigen Leasingverträgen gerechnet, mit denen Unternehmen die Verbindlichkeiten in ihrer Bilanz drücken können. Nach Aussage des Nutzerserviceteams des Immobilien-Dienstleisters Savills könnten einige Leasingverträge in Dienstleistungsverträge umgewandelt werden, um eine Buchung der Leasingvereinbarung zu umgehen. Savills äußert sich hierzu folgendermaßen: „Ausgestattete Büros und Gemeinschaftsbüros könnten infolge der neuen Vorschriften einen rasanten Aufschwung erfahren.“

Diese Ansicht wird vom Immobilienberatungsunternehmen Cushman & Wakefield in dessen Bericht „Coworking 2018“(5) bestätigt. „Leasing- oder Lizenzverträge mit einer Laufzeit von weniger als zwölf Monaten fallen nicht unter IFRS 16. Dieser Umstand wird voraussichtlich zu einer steigenden Nachfrage nach flexiblen Bürobereichen führen, da diese in der Bilanz des Nutzers nicht als Verbindlichkeit gebucht werden müssen“, heißt es im Bericht.

Der springende Punkt hierbei ist das Zutrittsrecht, d. h. wer ist der tatsächliche Besitzer des Arbeitsbereichs. Anbieter flexibler Mietbüros wie Regus sind Besitzer der Räumlichkeiten und stellen dem Nutzer diese und die dazugehörigen Dienstleistungen je nach Nachfrage und Verfügbarkeit zur Verfügung. Selbst gemäß der neuen Rechnungslegungsvorschrift ist dies kaum als Leasingvereinbarung anzusehen. Cushman & Wakefield führte eine eigene Umfrage(6) unter Vermietern im Vereinigten Königreich durch und kam zu folgendem Schluss: „Ein Drittel der Befragten ist fest davon überzeugt, dass die bevorstehende Änderung der Rechnungslegungsvorschriften für Leasingverträge die Nachfrage von traditionellen Leasingobjekten zu flexibel leasbaren Büroräumen verschieben wird. Die verbleibenden zwei Drittel halten eine solche Verschiebung der Nachfrage für wahrscheinlich. Keiner der Befragten vertrat die Ansicht, dass sich die Änderung in keinster Weise auf die künftige Nachfrage auswirken wird.“

Jonathan Steel, globaler Leiter für Nutzerlösungen bei BNP Paribas, räumt ein, dass die neue Vorschrift auch eine Chance für Unternehmen darstellt, endlich reinen Tisch zu machen und zu entscheiden, welche Vermögensgegenstände im Eigentum des Unternehmens stehen sollten, welche traditionell geleast werden sollten und welche als voll ausgestattete Mietbüros genutzt werden sollten. Je flexibler die Lösung, desto geringer wirkt sie sich auf die Bilanz aus und desto zufriedener sind Banken und Investoren.


 

Alexander Garrett ist freier Journalist aus Großbritannien und schreibt für die britische Presse über verschiedenste Wirtschaftsthemen.

Quellen:

(1) https://www.ifrs.org/-/media/project/leases/ifrs/published-documents/ifrs16-effects-analysis.pdf

(2) http://blog.aptitudesoftware.com/multinational-companies-heading-leaseberg-huge-proportions

(3) https://www.pwc.co.uk/assets/pdf/ifrs-16-the-leases-standard-is-changing.pdf

(4) http://old.efrag.org/files/ED%20Leases%202013/Feedback_report_on_loan_
covenants_consultation.pdf

(5) http://www.cushmanwakefield.co.uk/en-gb/research-and-insight/2018/coworking-2018

(6) http://www.cushmanwakefield.co.uk/en-gb/news/2018/01/coworking-report